Stellungnahme der CDU-Fraktionsvorsitzenden Marina Hajjar zum Interview "Wie weit treibt die Politik die Kinder?", aus der RZ vom 15.07.19

Stellungnahme der CDU-Fraktionsvorsitzenden Marina Hajjar zum Interview "Wie weit treibt die Politik die Kinder?", aus der RZ vom 15.07.19

Montag, 15. Juli 2019

Spätestens seit dem Interview mit Peter Gerwinat ist wohl klar, wer bei der „Fridays for Future“-Bewegung in Recklinghausen den Ton angibt. Wer die Sitzung des Rates am Montag vergangener Woche im Zuschauerraum verfolgt hat, der hat auch mitbekommen, wer das Kommando zum Verlassen des Ratssaals gegeben hat.

 

Zur Klarstellung: Wir begrüßen es ausdrücklich, dass sich junge Menschen auch in unserer Stadt Sorgen um die Zukunft machen und deshalb für mehr Klimaschutz einsetzen. Es gibt aber demokratische Regeln, an die sich auch diese Bewegung, so wie jede andere auch, halten muss. Es geht nicht darum, erstarrte Rituale zu pflegen, sondern an demokratischen Grundsätze festzuhalten, die sich bewährt haben. Diese hebt man nicht aus den Angeln, indem man Politiker durch eine Sitzblockade hinter dem Rathaus am Verlassen des Parkplatzes hindert. Nach wie vor finden wir es schade, dass die Jugendlichen und Kinder den Saal verlassen haben, bevor die eigentliche Debatte zum Thema stattgefunden hat.

 

Ja, Demokratie ist manchmal anstrengend. Wenn Herr Gerwinat behauptet, es wurden im Rat nur Monologe gehalten, ist das falsch. Vielmehr gab es aus allen Fraktionen Wortmeldungen zum Thema. Doch da hatten Herr Gerwinat und seine jugendlichen Mitstreiter bereits den Großen Sitzungssaal verlassen. Letztlich hat der Rat einstimmig (!) beschlossen, erst in der nächsten Ratssitzung seine Petition, die das Ausrufen des Klimanotstandes zum Ziel hat, zu diskutieren.

 

Dies wird auf Basis einer sicher fundierten Verwaltungsvorlage geschehen. Wir suchen im Rahmen demokratischer Spielregeln nach der besten Lösung für unsere Heimatstadt. Wir stellen uns der Diskussion und sind grundsätzlich auch zu Kompromissen bereit. Das war immer das Prinzip der CDU Recklinghausen und wird es auch bleiben.

Offenbar verfährt Fridays-for-Future-Sprecher Gerwinat aber nach dem Muster „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.“ Bei anderen politischen Themen würde seine Argumentation als diskriminierend gelten. Mit den Kindern im Rücken will er die politischen Kräfte, die nicht seiner Meinung sind, nun öffentlich diskreditieren. Die Frage ist also nicht „Wie weit treibt die Politik die Kinder?“ – vielmehr hat es den Anschein, als das diese – gesteuert von wem auch immer – versuchen, die Politik zu treiben.

 

Es bleibt festzuhalten, dass die Bewegung keineswegs für alle Jugendlichen spricht, auch wenn sie versucht, genau diesen Anschein zu erwecken. Und was ist eigentlich mit dem Anspruch, unabhängig von Parteien zu agieren? Stattdessen macht man sich nun mit der Familienpartei von Herrn Gerwinat gemein.

Endgültig läuft die Kritik des „Fridays for Future“-Gruppe ins Leere, wenn sich deren Vertreter unter fadenscheinigen Gründen einem Austausch mit unserem Bürgermeister Christoph Tesche verschließen. Wie soll die Mitgestaltung von Politik funktionieren, wenn man sich dem Austausch mit gewählten Volksvertretern verweigert?  Letztlich geht es in Gesprächen mit den Jugendlichen auch darum, ihnen deutlich zu machen, wo die Zuständigkeiten liegen. Wenn zum Beispiel in der RZ gefordert wurde, der Bürgermeister solle verhindern, dass das Kraftwerk „Datteln 4“ ans Netz geht, ist das natürlich absurd. Wir haben bisher noch keine einzige konkrete Forderung aus Reihen von „Fridays for Future“ vernommen, die sich konkret auf unsere Stadt bezieht. 

 

Die Stadt Konstanz, die sich brüstet, als erste Stadt in Deutschland den Klimanotstand ausgerufen zu haben, hat als eine Maßnahme beschlossen, ein Klimaschutzkonzept zu erarbeiten. Ein solches Konzept hat der Rat der Stadt Recklinghausen bereits 2013 auf den Weg gebracht. Ziel: bis 2025 sollen die CO2-Emissionen um 30 Prozent gesenkt werden. Bis 2025 soll auch der Umbau zur klimaneutralen Verwaltung erfolgen.

Es hat ganz offenkundig Methode, wenn der Eindruck erweckt wird, Recklinghausen fange in Sachen Klimaschutz bei null an. Wenn immer wieder behauptet wird, in unserer Stadt geschehe nichts, ist das nachweislich falsch. Seit Jahren laufen umfangreiche Maßnahmen, von der energetischen Sanierung städtischer Gebäude, über den Bau von Solaranlagen auf städtischen Dächern, Anschaffung von E-Fahrzeugen bis zum Einkauf von Ökostrom für 375 städtische Immobilien. Diese Liste ließe sich fortführen. Hinzu kommen Maßnahmen zur Klima-Anpassung, mit denen gegen die Überhitzung von Stadtteilen und der Überflutungsgefahr durch zunehmende Starkregen-Ereignisse entgegengewirkt werden soll.

 

Vieles wurde auch im Bereich Verkehr auf den Weg gebracht. Diese vielfältigen Maßnahmen haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Seit 2015 gibt es in Recklinghausen keine Grenzwertüberschreitungen bei Stickoxiden/Feinstaub mehr. Die letzte LANUV-Station steht an der Bochumer Straße, andere Messcontainer wurden wegen niedriger Werte abgebaut. Wir werden unsere Bemühungen, den Radverkehr noch attraktiver zu machen, weiter forcieren. Das ist Grundlage dafür, mehr Menschen zum Umstieg vom Auto auf das Rad zu motivieren.

 

Auch diese Aspekte würden unserer Meinung nach zu einer differenzierten Berichterstattung gehören, die dem Thema gerecht wird. Wir können uns jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass daran kein Interesse besteht. Die CDU ist entschlossen, die Belange des Klimaschutzes in gleichem Maße zu beachten, wie die des Umwelt- und Naturschutzes, der sozialen Sicherung der Bürgerinnen und Bürger sowie das Funktionieren des Wirtschaftsstandortes. Dafür werden wir im Rat nach politischen Sommerpause die Weichen stellen.

 

gez. Marina Hajjar

CDU-Fraktionsvorsitzende